
„Wir dürfen nicht Betonklötze der Gleichgültigkeit bleiben, weder kalt noch warm. Wir müssen Feuermenschen werden. Wir müssen uns jetzt wirklich anzünden lassen von dem Feuer, das anzuzünden Christus auf Erden kam.
Paul Vogt
Flüchtlingspfarrer Paul Vogt hat sich zeitlebens für die benachteiligten Menschen eingesetzt. Er ist ohne Zweifel eine der prägendsten Gestalten des Schweizer Protestantismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Paul Vogts Vater stammte aus Görlitz. Er war Evangelist und Mitarbeiter der Zellerschen Anstalten in Männedorf am Zürichsee, wo Sohn Paul 1900 das Licht der Welt erblickte. Paul studierte Theologie in Basel und Tübingen. In Tübingen trifft er viele innerlich verwahrloste Menschen und wird mit einem zunehmenden Antisemitismus konfrontiert.
Er heiratet und wird als Pfarrer nach Ellikon an der Thur berufen. Als Ortspfarrer dient er den Patienten der dortigen Trinkerheilanstalt. Bald übernimmt er eine Pfarrstelle in Walzenhausen über dem Bodensee.

Die Folgen der Wirtschaftskrise in der Stickereiindustrie mit den vielen Arbeitslosen erschüttern ihn zutiefst. Gemeinsam mit anderen gründet er 1931 ein Hilfswerk für Arbeitslose. 1933 erwirbt er in Walzenhausen ein ausgedientes Stickereilokal und baut es zum „Evangelischen Sozialheim Sonnenblick“ aus. Das Heim nimmt erholungsbedürftige Frauen und Mütter auf, führt Schulungskurse für Arbeitslose durch und wird mehr und mehr zum Rückzugs- und Erholungsort für Pfarrer der Bekennenden Kirche und ihren Familien. Während dem Zweiten Weltkrieg wird es zum temporären Heim für viele Flüchtlinge.
Schon 1934 schreibt Paul Vogt: „Wir sehen und horchen mit ungeheurer Spannung über die Grenze. Es ist uns ein Bedürfnis, in dieser welt- und kirchengeschichtlich ausserordentlich entscheidungsreichen Stunde den unter Druck und Gewalt leidenden Brüdern über die Grenze hinaus die Hand zu drücken und zu sagen: Wir leiden mit Euch! Wir beten für Euch! Wir denken an Euch! – Und es ist uns eine heilige Pflicht, der Kirche unserer Heimat zuzurufen: Schlafe nicht! Schweige nicht! Wach auf! Rede! Bekenne! Zeuge! Handle! Werde neu Werkzeug Jesu Christi!“
Paul Vogt scheut sich nicht, die Zurückweisung der Juden an der Schweizer Grenze öffentlich anzuprangern. „Die Judenfrage ist eine Christenfrage geworden. Da kommt es jetzt darauf an, ob unser Glaubensbekenntnis Lippenbekenntnis ist. Eigenliebe oder Christusliebe.“
Er klagt die Christen an, welche Forderungen an den Staat stellen ohne Bereitschaft zum persönlichen Opfer. Gleichzeitig mahnt er die staatlichen Behörden, Flüchtlingen Zuflucht in unserem Land zu gewähren. Angesichts der wachsenden Arbeit kann Paul Vogt seinen Dienst an den Flüchtlingen nicht mehr im Nebenamt erledigen. Er wird 1943 in Zürich offiziell zum Flüchtlingspfarrer ernannt. Bei der Einsetzungsfeier waren viele der Anwesenden Flüchtlinge jüdischer Herkunft, die durch den mutigen Einsatz von Paul Vogt von den Schergen des Nationalsozialismus bewahrt wurden.
Paul Vogt und sein Mitarbeiterteam sehen es als ihre Aufgabe, für arbeitsunfähige Personen Plätze bei Privatpersonen und in Heimen zu vermitteln. Durch die Freiplatzaktion konnten schon im ersten Jahr über 500 Flüchtlinge untergebracht werden. Das gemeinsame Ziel der Bekämpfung der Not und die gewinnende Persönlichkeit von Paul Vogt haben eine Kooperation über religiöse und ideologische Grenzen möglich gemacht.
Sohn Hanspeter gründete 1973 in Herisau das Therapiezentrum „Best Hope“ für suchtkranke Menschen.
Quelle: „30 kurze Lebensbilder“ von Hanspeter Nüesch, Kontaktiere den Autor per e-mail: hpnuesch7@gmail.com
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